In einer amerikanischen Pressemitteilung gibt der Plattformbetreiber Einblicke in die Händlerumsätze preis. Darin beschreibt Amazon auch das Verhältnis Eigengeschäft vs. Händlergeschäft. Damit liefert Amazon werthaltige Zahlen, so ungenau sie auch sind.

Leider drücken sich alle Plattformen gerne, die Wissbegierde der Medien, Händler, Hersteller und Dienstleister zu bedienen. Das Zahlenmaterial und die Aussagen sind dürftig. Sie basieren auf dem 2018 veröffentlichten ›Amazon Small Business Impact Report‹ und sind mit einigen neuen Daten angereichert.

Der Auszug im Wortlaut

Dieser Passus ist der Pressemitteilung ›Amazon releases 50 new tools and services for selling partners since the beginning of the year, enabling SMBs to sell more than half of all units in Amazon’s stores‹ vom 9. April 2019 entnommen. Die vollständige Mitteilung in Englisch findet ihr hier.

»[…]More than half of all units sold in Amazon’s stores are from small and medium-sized businesses. The 2018 Amazon Small Business Impact Report revealed that there are more than one million U.S.-based small and medium-sized businesses selling in Amazon’s stores. Amazon estimates that small and medium-sized businesses selling in Amazon stores have created more than 900,000 jobs worldwide. In 2018, more than 50,000 small and medium-sized businesses exceeded $500,000 in sales in Amazon’s stores worldwide, and nearly 200,000 surpassed $100,000 in sales. The number of small and medium-sized businesses eclipsing $1 million in sales in Amazon’s stores worldwide grew by 20 percent last year.[…]«

Der automatische Übersetzungsdienst deepl.com liefert uns diese Übersetzung: »[…]Mehr als die Hälfte aller in den Amazon-Filialen verkauften Einheiten stammt aus kleinen und mittleren Unternehmen. Der Amazon Small Business Impact Report 2018 ergab, dass mehr als eine Million kleine und mittlere Unternehmen mit Sitz in den USA in den Filialen von Amazon verkaufen. Amazon schätzt, dass kleine und mittlere Unternehmen, die in Amazon-Stores verkaufen, weltweit mehr als 900.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Im Jahr 2018 überstiegen mehr als 50.000 kleine und mittlere Unternehmen den Umsatz in den Amazon-Filialen weltweit um 500.000 US-Dollar und fast 200.000 den Umsatz von 100.000 US-Dollar. Die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen, die den Umsatz in den Amazon-Filialen weltweit um 1 Million Dollar übersteigt, stieg im vergangenen Jahr um 20 Prozent. […]«

Was bedeuten denn nun die Zahlen?

»More than half of all units sold in Amazon’s stores are from small and medium-sized businesses.« Das bedeutet, dass kleine und mittlere 3P-Seller, also nahezu alle, mehr Einheiten verkaufen als Amazon selbst. Diese Zahl lässt keinen Rückschluss auf die Umsatzverteilung zu. Keinen.

These: Wäre der 3P-Umsatz höher als der Amazon-Eigenumsatz, dann würde Amazon auch das genau so anouncen. Anhand der Ankündigung lässt das vielmehr die Vermutung zu, dass die Händler zwar mehr Einheiten verkaufen, Amazon selbst aber den höheren Warenkorbwert pro Einheit realisiert.

»The 2018 Amazon Small Business Impact Report revealed that there are more than one million U.S.-based small and medium-sized businesses selling in Amazon’s stores.« – Es gibt also eine Vielzahl an kleinen und mittleren Händlern auf Amazon. Das bedeutet, viele wollen etwas vom Kuchen abhaben. Das funktioniert aber nur, so lange wie der Kuchen immer größer wird. Aber aus den aktuellen Bilanzzahlen lässt sich erkennen, dass sich Amazons Marktplatz- und Retailgeschäft auszuruhen beginnt.

These: Durch die vielen Akteure auf dem Marktplatz ergibt sich eine harte und unkomfortable wettbewerbliche Situation. Es entsteht Verdrängungswettbewerb, der teilweise auch mit unfairen Taktiken ausgefochten wird.

»Amazon estimates that small and medium-sized businesses selling in Amazon stores have created more than 900,000 jobs worldwide.« – Ja, Amazon schafft Jobs. Das ist richtig.

These: Da Händler, die Mitarbeiter beschäftigen, wahrscheinlich nicht nur über einen Kanal verkaufen, ist die Zahl mit der Aussagekraft zu relativieren. Es stimmt, dass der Onlinehandel ›Jobs‹ schafft. Wie viel davon ausschließlich Amazon vereinnahmen kann, wissen wir nicht. Amazon selbst wohl auch nicht.

»In 2018, more than 50,000 small and medium-sized businesses exceeded $500,000 in sales in Amazon’s stores worldwide, and nearly 200,000 surpassed $100,000 in sales.« Jetzt kommen die spannenden Umsatzzahlen. Wir wissen, dass alleine in und aus den USA mehr als 1 Mio. Händler auf Amazon verkaufen. Amazon hat an anderer Stelle bereits geäußert, dass sie mehr als 2 Millionen aktive Händler zählen.

97.5% aller Amazon-Händler machten 2018 einen Umsatz von weniger als 423.000 €. 90% aller Amazon-Händler machten einen Umsatz von weniger als 89.000 €. Die Anzahl der Händler, die mehr als 890.000 € Umsatz machen, ist um 20% gestiegen.

These: Wenn die großen Händler um 20% wachsen, der Markt aber nur um 13% zugelegt hat (Quelle: Bilanzzahlen 2018) dann sind kleinere Händler auf der Strecke geblieben. 90% der auf Amazon aktiven Händler können von den dort erzielten Umsätzen nicht leben. Nur 2.5% aller Händler können durch ihre Umsätze auf Amazon ihren Lebensunterhalt finanzieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Zahlen dramatischer sind und eine parabelartige Verteilung der Umsätze innerhalb der Gruppen vermutet werden darf.

Kommentar

90% aller Amazon-Händler können von ihren Umsätzen nicht leben. Klarer kann man nicht darstellen, dass Amazon oder Amazon FBA für die Händler kein Geschäftsmodell ist und auch niemals sein wird. Wer etwas anderes behauptet, den strafen diese Amazon-Zahlen.

Dieses Konvolut an Zahlen legt den Schluss nahe, dass Amazon auf seiner Plattform den Umsatz dominiert. Zwar verkaufen die 3P-Seller mehr Einheiten, die großen Warenkorbwerte bleiben aber Amazon vorbehalten.

Der Umstand, dass sich Amazons Retail- und Marketplace-Wachstum verlangsamt hat (Quelle: Bilanzzahlen 2018), deutet darauf hin, dass der Wettbewerb nicht einfacher wird. Im Gegenteil. Der über dem Markt schwebende Aufwärtstrend der großen Händler signalisiert deutlich, zu wessen Lasten die Umverteilung geht. Die Kleinen verlieren!

Ich entschuldige mich bei allen für die eher negative Darstellung und Interpretation des Zahlenwerks. Ich finde es aber wichtig, ein authentisches und vor allem nicht interessengetriebenes Bild der Chancen, auf der Plattform erfolgreich zu handeln, zu zeichnen.

Amazon ist ein wichtiger Verkaufskanal für die Onlinehändler und hat einen großen Anteil an deren Gesamtumsatz. Daher ist es existenziell, auch auf Amazon erfolgreich mitzuspielen. Jedoch – und das ist und soll eine wichtige Erkenntnis sein – gibt es andere Kanäle, die mit genau demselben Enthusiasmus zu bespielen sein sollten, wie Amazon. Wer das nicht macht, der verliert.

Fun Fact

Die 10% erfolgreichsten Händler haben auf Amazon in 2018 mindestens einen Umsatz von 25 Mrd. US$ generiert.

50.000 Seller machten mindestens 10 Mrd. US$ Umsatz und 150.000 erwirtschafteten mindestens 15 Mrd. US$.