„Alle“ bekommen Millionen für Ihre Firma? Warum ich nicht?

Die Venture-Capital-Serie (1/2)

Internet-Investments und Exits: ICH WILL AUCH!

In der Presse heisst es ja fast täglich: Firma A Millionen Investment bekommen, Firma B ist eine Milliarde wert, Firma C für Millionen verkauft. Da fragen sich viele Onlinehändler. Wieso ich denn nicht? Home24 ist mehr als eine Milliarde wert? Dann kann doch mein Shop auch 50 Millionen bringen? Oder kann ich nicht einfach mal ein paar Millionen Venture Capital bekommen? Könnte ich gut brauchen und würde ich auch gewinnbringend verwenden. Viele haben mir schonmal diese Fragen gestellt und ich will mal darauf eingehen, wie die Zusammenhänge sind und warum und wann das alles möglich und sinnvoll ist. Hilfe bei dem Artikel habe ich von Valentin Schütt erhalten, der selbst mehrere Investment-Firmen und –beteiligungen besitzt. Mit ihm habe ich die verschiedenen Facetten einige Abende lang diskutiert und dieser Artikel ist das Ergebnis.

Mein Lebensziel, was ist das eigentlich?

Es mag viel zu einfach klingen, aber bevor man sich mit Venture Capital, dem Verkauf von Firmen oder sonstiges befasst, sollte man sich die Zeit nehmen, mal über die eigene Lebensplanung machen. Nicht selten fällen Unternehmer in diesem Umfeld falsche Entscheidungen, weil sie sich nie darüber Gedanken gemacht zu haben. Und dann klingt es im ersten Moment toll, eine mit viel Kapital finanzierte, schnell wachsende Firma zu haben, aber nicht selten kommt dann nach einer Zeit der Punkt, wo die Interessen zwischen Investoren und Unternehmer auseinandergehen und dann heisst es: „Die Geister, die ich rief“.

Fragen, die Du Dir stellen solltest:

  1. Wie lange will ich meine Firma behalten? Kann ich mir einen Verkauf vorstellen? Oder will ich etwas aufbauen, was vielleicht sogar meine Kinder weiterführen?
  2. Wie viel Geld brauche ich wirklich im Leben? Das heisst: Wieviel Risiko will ich eingehen, um mir wieviel Chance zu erkaufen? Das vorab: Chance ohne Risiko gibt es nicht!
  3. Will ich selbst- oder fremdbestimmt sein? Kann ich damit umgehen, wenn mir jemand in mein Geschäft „hereinredet“?
  4. Will ich einen klaren Fokus in meinem Geschäft haben? Oder will ich die Freiheit, das zu tun, was in dem Moment am gewinnbringenden ist? Heute Sonnencreme, morgen Regenschirme?

Auch, wenn man es nicht glaubt, all diese Fragen haben einen drastischen Einfluss darauf, welche Wege man gehen sollte. Und da gibt es kein richtig und falsch, jeder Mensch ist da anders.

2 Millionen Firmenwert für 2 Gründer und ein Exel-Sheet, wie geht denn sowas?

Immer wieder liest man von Firmenfinanzierungen, bei dem eigentlich noch nichts entstanden ist, sondern vielleicht eine Idee im Raum steht, ein Businessplan und ein kleines Gründerteam. Wie kann das denn sein?

Nun, diese beiden verkaufen ja ihre „Firma” nicht für dieses Geld, sondern bekommen meistens einen Betrag von Venture Capital (Wagniskapital) von einem Business Angel (privater Kapitalgeber), professionellem VC oder Investment-Fonds (Anleger-Gelder). Allen ist klar, dass der aktuelle „Wert“ dieser Firma nicht ein Millionenbetrag ist. Sie preisen in diese sogenannte „Unternehmensbewertung“ ein, was in Zukunft passieren kann oder wird. Das ist ähnlich wie bei Aktien. Diese haben auch einen Substanzwert, der sich zB durch Geld auf dem Konto, Immobilien, bemisst, und einer Chance auf weiteres Wachstum, mehr Gewinne in Zukunft. Im Fall unserer Gründer wägen sie also Chance und Risiko ab. Wenn die beiden zum Beispiel bereits mehrere Firmen erfolgreich aufgebaut haben, möglicherweise auch im gleichen Segment, dann gibt es eine große Chance und ein kleineres Risiko. Die Frage ist ja nur: Warum sollten sie es nicht ein drittes Mal schaffen? So macht es dann durchaus Sinn, diese Chance bereits heute mit 1 Million zu bewerten, da man bereits mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit weiss, dass man in ein paar Jahren einen Unternehmensverkauf für 10-20 Millionen realisieren kann.

Was wollen VC-Investoren eigentlich?

Generalisierungen sind ja immer schwierig, da es viele Typen von Investoren gibt. Aber klassischerweise will ein Venture Capital Investor sein Geld in eine relativ junge Firma investieren, die dieses Geld nutzt, um ihr Geschäft auszubauen, um so den Firmenwert zu steigern. Irgendwann will der Investor dann die Unternehmensanteile, die er im Tausch für sein Investment erhalten hat, wieder verkaufen. Da es sich bei Venture Capital um eine hohe Risiko-Klasse handelt, also mit einem relativ hohen Anteil an Teil- oder Voll-Ausfällen zu rechnen ist, ist entsprechend auch die Rendite-Erwartung an die gut laufenden Investments sehr hoch. Die genaue Erwartung richtet sich nach der Unternehmensphase, in der investiert wird, liegt aber zum größten Teil über 100% und ist in einigen Fällen auch noch deutlich darüber. Konkret heisst das: Investiert ein VC in ein Geschäft, welches mit 2 Millionen Euro bewertet wird, 500.000 Euro, so erhält er 20% der Anteile (Anm.: Den genauen Ablauf und Berechnung einer Kapitalerhöhung werde ich in der nächsten Folge behandeln). Wird diese Firma dann – nach einiger Zeit –  für 10 Millionen Euro verkauft, so erhält er 2 Millionen Euro. Seine Rendite liegt damit bei 300%. Damit muss auch klar sein, dass sich ein solcher Investor in ganz krasser Weise von einem klassischen Darlehn einer Bank oder einer Privatperson unterscheidet, die eher eine Rendite zwischen 2% und 20% pro Jahr erwarten.

(Weiter geht es in Folge 2 der Venture-Capital-Serie)

Der Artikel wurde zusammen mit Valentin Schütt von SevenMiles verfasst.