Damit nichts falsch verstanden wird: Wir glauben fest an der Zukunft des stationären Handels, da können Sie sich sicher sein. Woran wir aber nicht glauben: An die Zukunft des stationären Handels nach dem Muster des letzten Jahrhunderts.

Leider gibt es aber immer noch zu viele Händler, die nach diesem überholten Muster verfahren. Das war im letzten Jahr in erschreckender Weise bei einem Vortrag auf dem Handelskongress in Berlin  zu erkennen. Da der ganze Kongress unter dem Motto der Digitalisierung stattfand, waren dementsprechend prominente Sprecher mit dem Thema im Panel vertreten. Ganz besonders fiel mir der Vortrag des Startup CEOs Christian Umbach von XapiX auf, der das enorm wichtige Thema „APIs & digitale Services als Fundament für die digitale Transformation“ vorgestellt hat. [Anm.: API ist das Akronym für Application Programming Interface, auf Deutsch „Programmierschnittstelle„]

Umbach hat bei seinem Vortrag dem Publikum eine Frage gestellt, die aus heutiger Sicht der Grundstein für ein agiles Schnittstellenmanagement ist:

„Für wen ist es wichtig, den Kunden innerhalb von 90 min. zu beliefern?“

Die Antwort hat nicht nur ihn geschockt:  Niemand meldete sich. Es war für keinen wichtig! Er hat schnell gemerkt, dass er die Thematik anders angehen muss, fragte also etwas anders:

„Für wen ist es wichtig, den Kunden innerhalb von 24 Stunden zu beliefern?“

Dazu meldeten sich ungefähr fünf Prozent der rund 1.000 Anwesenden.

Unwichtiges Schnittstellenmanagement: Was zeigt uns das?

Sicherlich ist so eine Frage, die man an einem Kongress in den Raum wirft, von den Antworten her nicht repräsentativ. Selbst wenn man berücksichtigt, das 50 Prozent der Teilnehmer eh nicht auf eine Frage antworten, ist das Ergebnis trotzdem erschreckend und zeigt auf, wie wenig Wissen über die notwendigen Gesamtzusammenhänge herrscht.

Viele Teilnehmer hielten den Beitrag ohnehin für fehl am Platz: Hört sich der Titel doch sehr nach einem Beitrag eines IT-Nerds an. Aber falsch gedacht: API-Management ist eines der wichtigsten Themen, dem sich Unternehmen auf dem Weg in die Digitalisierung mit als erstes stellen müssen. Entscheider in allen Unternehmen kommen nicht mehr umhin, sich mit Themen der IT und speziell dem Schnittstellenmanagement zu beschäftigen.

Wer effiziente und vor allem agile Geschäftsmodelle will, muss die Möglichkeiten der IT kennen. Sie erst verschaffen dem Streben nach Prozessen, die um den Kunden herum modelliert sind, den nötigen Mehrwert.

Warum muss man sich mit dem Thema IT als Betriebswirtschaftler überhaupt beschäftigen?

Ganz einfach: Weil die Echtzeit-IT zukünftig einen Handel, der Menschen begeistert, überhaupt erst möglich macht. Wir möchten hier beispielhaft einige Szenarien aufzeigen, die entweder jetzt oder mittelfristig anstehen:

  • Der Handel der Zukunft braucht Vernetzung. Kein Händler wird im Zeitalter des real-digitalen Kommunikationsraumes mehr isoliert erfolgreich sein.
  • Vernetzung mit den Kunden wird immer wichtiger. Schnelle Reaktionen auf Wünsche, Kundenbewegungen oder Nachrichten in sozialen Medien in Echtzeit werden erwartet.
  • Strategische Partnerschaften, die um den Kunden herum konstruiert sind, bringen Mehrwerte in bisher unbekannter Größe. Es geht nicht mehr darum, Artikel zu verkaufen, sondern das Leben zu verbessern bzw. zu erleichtern und Erlebnisse zu schaffen.
  • Wie wir bereits in unserem New York Trendreport beschrieben haben, nehmen lokale Lieferservices im Zeitalter der Urbanisierung rasant zu. Diese müssen aber effizient gesteuert und angebunden werden. Wie soll das gehen ohne das Wissen über die aktuellen und zukünftigen technischen Möglichkeiten?
  • Thema autonomes Fahren: Das es kommt, steht fest. Der Wert eine Autos ist dann nicht mehr die Transportleistung, sondern die Information, wer warum und über welchen Weg mit wem wohin fährt. Was werden Menschen tun, wenn sie sich nicht mehr mit dem Fahren beschäftigen? Wozu lassen sich Menschen dann aktivieren?

So verpassen Sie garantiert die Zukunft!

Kommen wir aber noch einmal zurück zum Eingangsthema, warum sich so wenige mit dem Thema agiles Schnittstellenmanagement beschäftigen. Um das weiter erfolgreich beizubehalten, möchten wir ihnen folgende Tipps ans Herz legen:

  1. Besuchen sie nie, aber auch nie die internationale Spielwarenmesse in Nürnberg. Eigentlich unsere Empfehlung für alle Entscheider in Deutschland, um ja nicht zu begreifen, mit welchen Tools die Kunden von morgen konditioniert werden. Gut ein Drittel der dortigen Aussteller hat vernetztes Spielzeug im Angebot. Also weg bleiben, sonst weiß man Bescheid!
  2. Besuchen Sie nie die K5 Konferenz im Berlin, dem Jahrestreffen der eCommerce Branche in Deutschland. Es könnte sein, dass man dann versteht, wie wichtig IT ist und wie Echtzeitkommunikation von Systemen in Kundenmehrwert umgewandelt wird. Und vor allem: Man weiß doch besser nie, was in dem Teil der Branche gerade passiert.
  3. Machen Sie sich nie Gedanken darüber, wie die Ware zum Kunden kommt. Das ist Aufwand und bedeutet immer ein Verlassen der Komfortzone. Denken Sie immer darüber nach, dass der Kunde sich doch Gedanken darüber machen soll, wie er zu ihrem Angebot findet. Überlassen sie ihm die Qual der Wahl des passenden Verkehrsmittels, bürden sie ihm Parkgebühren auf und erziehen sie ihn, sich immer an ihre Öffnungszeiten zu halten. Das freut ihn, den Aufwand nimmt er gern auf sich, um ihr weltweit einmaliges Angebot zu ergattern.

Ich könnte noch ein paar böse Beispiele bringen, überlasse das aber gern den Leserinnen und Lesern. Dafür ist die Kommentarzeile da, ich freue mich auf weitere Tipps!

Man zieht sich in Deutschland aber auch gern auf die Abwarteposition zurück, um später effektiver zu reagieren. Das hat sich in vielen unserer Gespräche bewahrheitet. Im Falle der Digitalisierung ist das aber keine Strategie, denn hier gilt:

Da kommt nicht etwas auf uns zu, sondern da fährt etwas vor uns weg!

Frank Rehme gilt als einer der wichtigsten Vordenker im Bereich Innovation und Zukunftsgestaltung. Als Unternehmer, Strategieberater, Speaker und Managementcounsel erarbeitet er praxisgerechte Antworten auf die Fragen der Zukunft. Das Handelsblatt beschreibt ihn als “den umsetzungsorientierten Morgenmacher mit Weitblick“.