Zensur bei www.wortfilter.de

Vielleicht ist es Ihnen schon aufgefallen: Seit einigen Wochen gibt es bei wortfilter.de keine Berichte über Abmahnabzocker, unseriöse Verkäufer, angebliche "Privat"verkäufer, Markenfälscher und Betrüger in Deutschland mehr. Ich kann mir die nicht mehr leisten, denn Pressefreiheit gibt es in Deutschland nicht für jedermann, sondern nur für Reiche - und zu denen gehöre ich nicht.

Mein Problem ist ein grundsätzliches Problem im deutschen Gerichtswesen: Letztlich gewinnt in der Regel, wer den (finanziell) längeren Atem und die besseren (teuereren) Anwälte hat.

Natürlich ist meine Berichterstattung für die Betroffenen sehr ärgerlich und die setzen alles daran, sie zu verhindern: Abmahnanwälte beispielsweise mögen es gar nicht, wenn sich deren Opfer nach meiner Berichterstattung vernetzen und gemeinsam wehren. Unseriöse Stellenangebote laufen ins Leere, wenn die Interessenten über Google auf meine Artikel zu ihren potentiellen "Arbeitgebern" stoßen und vor den Betrügern gewarnt werden. Angebliche "Private" und andere unseriöse Verkäufer müssen damit rechnen, dass eBay sie nach meiner Berichterstattung sperrt oder dass Mitbewerber oder Markenrechtsinhaber gegen sie vorgehen.

www.wortfilter.de wurde im Juni 2002 gegründet. Seitdem habe ich wegen meiner Berichterstattung 23 Abmahnungen bekommen, fünf mal ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen angeblich verbotener Rechtsberatung gegen mich.

Vier der Ermittlungsverfahren wegen verbotener Rechtsberatung wurden eingestellt, "nur" einmal musste ich mich auch vor Gericht verantworten und wurde freigesprochen. Auf den Anwaltskosten für die Verteidigung gegen diese ungerechtfertigten Anschuldigungen blieb ich natürlich sitzen.

Zu den zahlreichen Abmahnungen mal ein typisches Beispiel aus dem letzten Sommer:

Ich hatte über einen Verkäufer berichtet, der bis dahin jede negative Bewertung mit einer negativen Rachebewertung erwiderte und dann den Käufern anbot, die gegenseitigen Bewertungen "einvernehmlich" zurückzunehmen. Wenn der Käufer sich darauf nicht einlasse, müsse er mit Anzeigen wegen über Nachrede, geschäftsschädigendem Verhalten und mit hohen Schadensersatzforderungen rechnen. Fast alle Käufer ließen sich davon einschüchtern, im Bewertungsprofil des Verkäufers sah man deshalb 45 zurückgezogene Bewertungen und kaum Negative.

Ich bekam dann eine Abmahnung und wurde aufgefordert, meine angeblich falschen Behauptungen zu widerrufen, den Artikel zu löschen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und rund 1.000 Euro Anwaltskosten zu bezahlen. Im telefonischen Gespräch wurde mir angeboten, die Anwaltskostenforderung auf 300 Euro zu reduzieren, wenn ich denn den anderen Forderungen nachkäme. Ich weigerte mich.

Zwei Wochen später wurde mir eine Einstweilige Verfügung zugestellt: Ich musste meinen Artikel löschen, anderenfalls drohte mir ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder sechs Monate Haft. Die Kosten dafür hatte ich zu tragen, es waren rund 2.000 Euro. Der Verkäufer hatte dem Gericht eine Eidesstattliche Versicherung vorgelegt, nach der eben nicht jede negative Bewertung mit einer Rachebewertung erwidert würde: Jemand aus seinem kleinen Heimatort hatte nach meinem Bericht bei ihm etwas gekauft, eine negative Bewertung abgegeben und bezeugt, dafür keine negative Rache-Bewertung bekommen zu haben. Seine Bewertung habe er später freiwillig und ohne Druck des Verkäufers gelöscht. Wie bei Einstweiligen Verfügungen üblich, hatte das Gericht mir kein rechtliches Gehör geschenkt, für den Beschluss reichte die Version des Klägers.

Gegen diese Einstweilige Verfügung legte ich Widerspruch ein, vier Monate später war die Verhandlung. Hier wurde zu meinen Gunsten entschieden, ich durfte meinen Artikel wieder online stellen und der Verkäufer sollte alle Kosten tragen, auch die rund 2.000 Euro aus der Einstweiligen Verfügung. Leider war der unseriöse Verkäufer inzwischen insolvent, auf den nun insgesamt rund 3.000 Euro blieb ich sitzen.

Das Problem bei meiner Berichterstattung ist das wirtschaftliche Ungleichgewicht: Berichte ich beispielsweise über unberechtigte Abmahnungen und geht dann der Anwalt wegen einer angeblichen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gegen mich vor, dann riskiere ich über 10.000 Euro, wenn die Geschichte bis zu einem OLG getrieben wird. Zu gewinnen habe ich nur einige Dutzend neue Leser, verliere ich, dann steht meine wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel.

Obwohl ich nie einen Prozess verloren habe, bin ich bisher insgesamt auf über 10.000 Euro Gerichts- und Anwaltskosten sitzengeblieben. Als mein Steuerberater mir dann vor einigen Wochen sagte, dass ich diese Kosten größtenteils noch nicht einmal von der Steuer absetzen kann, platzte mir der Kragen: In diesem System kann von echter Pressefreiheit keine Rede sein, ich kann mir das nicht leisten.

In Zukunft werde ich also deutlich weniger riskante Berichte schreiben und manche Themen nur noch aufgreifen, wenn ich dabei auf andere Websites verweisen kann und nicht selber Kopf und Kragen riskieren muss.


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aXel Gronen
Köln, 12.12.2007
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Axel Gronen August 2006

Mr. Research Marktanalyse Konkurrenzanalyse für eBay

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© 2007 bei Axel Gronen. Letzte Aktualisierung: 13.12.2007.
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