Neu: Abmahnungen für Amazon-Händler

Der IT-Recht Kanzlei liegt die erste Abmahnung vor, welche sich an einen Händler richtet, der über www.amazon.de Elektronikwaren an Endverbraucher vertreibt. Die Abmahnung entstammt der Feder einer Rechtsanwaltskanzlei, die im Auftrag der (in einschlägigen Kreisen als recht abmahnfreudig bekannten) e-tail GmbH erstellt wurde. Dabei legte die e-tail GmbH ihrem auf dem amazon-Marktplatz tätigen Wettbewerber zur Last, dass dieser seine Kunden nicht ordnungsgemäß über das ihm zustehende Rückgaberecht belehrt habe.

I. Zum Hintergrund:

Die e-tail GmbH (vertretungsberechtigter Geschäftsführer: Christian Böhme) sowie die BUG Computer Components AG (Vorstand: Christian Böhme / "e-bug") gehen seit einiger Zeit mit Hilfe mehrerer Rechtsanwaltskanzleien gegen eine Vielzahl von eBay-Händlern vor. Meist geht es dabei um Verstöße aufgrund angeblich falscher (weil zu kurz angegebener) Widerrufs- bzw. Rückgabefristen. Ein typischer Abmahntextbaustein der e-tail GmbH lautet demzufolge auch wie folgt:

"Sie räumen den Verbrauchern ein Rückgaberecht von zwei Wochen ein. Dies verstößt gegen die gesetzlichen Vorschriften. Nach dem Urteil des OLG Hamburg vom 17.08.2006 (Az: 3 U 103/06) und dem Urteil des KG Berlin vom 18.07.2006 (Az. 5 W 156/06) ist bei Verkäufen über die Internetplattform eBay dem Verbraucher ein Widerrufsrecht von einem Monat einzuräumen, da die nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB erforderliche Belehrung in Textform aufgrund der Besonderheiten des Vertragsabschlusses bei eBay zeitlich erst nach Vertragsabschluss erfolgen kann."

Der zitierte Textbaustein der e-tail GmbH stützt sich auf die Rechtsprechung des OLG Hamburg sowie des KG Berlin, welche von vielen Juristen als schlicht fatal eingeschätzt wird. So entschieden die genannten Gerichte bereits mehrfach, dass dem Verbraucher bei eBay eine Widerrufsfrist von 1 Monat einzuräumen sei. Begründet wird dies wiederum mit einer Sonderregelung des im Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten Fernabsatzgesetzes, wonach sich die (normalerweise nur 2-wöchige) Widerrufsfrist für den Fall auf einen Monat verlängert, dass der Verbraucher erst nach Vertragsschluss ordnungsgemäß über die in Textform mitzuteilende Widerrufsrecht belehrt wird. Diese Besonderheit treffe auf eBay-Geschäfte zu, so etwa das OLG Hamburg, da es hierbei dem Händler letztendlich aus technischen Gründen verwehrt bleibe, seine Kunden noch vor bzw. zumindest bei Abschluss des jeweiligen Vertrages in Textform zu belehren.

Anmerkung: Beide Urteile wurden bereits durch die IT-Recht Kanzlei stark kritisiert. Zudem kehrt die e-tail GmbH bei deren Abmahnungen regelmäßig unter den Tisch, dass es in diesem Zusammenhang auch anders lautende gerichtliche Rechtsauffassungen gibt, etwa die des LG Flensburg (23.08.2006, Az. 6 O 107/06) oder des LG Paderborn (Urteil vom 28.11.2006, Az. 6 O 70/06).

II. Zum aktuellen Abmahnfall:

Offenkundig scheint es aber immer mühsamer zu werden, noch ähnlich gelagerte Verstöße bei eBay zu finden, um das äußerst lukrative Abmahngeschäft fortzuführen. Vielleicht scheint es ja tatsächlich mittlerweile selbst in die hinteren Reihen vorgedrungen zu sein, dass es erforderlich ist, bei eBay eine 1-monatige (nicht 30 tätige!) Widerrufsbelehrung anzubieten. Wie dem auch sei - die e-tail GmbH hat nun augenscheinlich Ihre Abmahntätigkeiten auf einen bisher weitgehend verschonten Marktplatz im Internet ausgeweitet, der jedoch von der Popularität und dem Bekanntheitsgrad der Auktionsplattform eBay kaum nachsteht: die Rede ist vom Amazon.de Marketplace!

Für die im Auftrag der e-tail GmbH tätigen Anwälte stellte die Neuausrichtung Ihres Auftraggebers auch keinen größeren Arbeitsaufwand dar. So wurde dem oben zitierten Textbaustein einfach folgender weiterer Satz hinzugefügt:

"Dasselbe gilt für Verkäufe über die Plattform www.amazon.de".

Fertig war der neue Abmahn-Textbaustein, der vermulich noch viele Amazon-Marketplacehändler heimsuchen wird. Leider kann sich die e-tail GmbH auch insoweit auf die Rechtsprechung der oben genannten Gerichte (OLG Hamburg sowie KG Berlin) berufen. So entspricht es den Tatsachen, dass es zumindest zur Zeit auch bei der amazon-Plattform den Händlern technisch nicht möglich ist, die jeweiligen Kunden auf deren Widerrufs- bzw. Rückgaberecht frühzeitig (also vor Vertragsschluss in Textform) aufmerksam zu machen. Der Grund liegt darin, dass all diejenigen, die über den Amazon-Marketplace Waren vertreiben erst selbst von Amazon.de per E-Mail benachrichtigt werden, wenn deren Artikel bereits an die Kunden verkauft worden sind. Erst durch diese E-Mail erhalten sie Kenntnis von dem geschlossenen Kaufvertrag und werden darüber informiert, an wen die Ware zu schicken ist.

III. Mögliche Abhilfe

Tatsächlich könnte amazon.de dem neuen Abmahntreiben der e-tail GmbH schnell ein Ende bereiten. So verschickt das Unternehmen amazon.de im Auftrag der auf ihrer Plattform tätigen Händler standardmäßig eine Auftragsempfangsbestätigungsmail, die sich mit dem folgenden Wortlaut an den jeweiligen Käufer richtet:

"Diese E-Mail dient lediglich der Bestätigung des Einganges Ihrer Bestellung und stellt noch keine Annahme Ihres Angebotes auf Abschluss eines Kaufvertrages dar. Ihr Kaufvertrag für einen Artikel kommt zu Stande, wenn wir Ihre Bestellung annehmen, indem wir Ihnen eine E-Mail mit der Benachrichtigung zusenden, dass der Artikel an Sie abgeschickt wurde."

Alles was amazon.de nun tun müsste wäre, dieser E-Mail noch eine ordnungsgemäße Standard-Widerrufs- bzw. Rückgabe-Belehrung beizufügen. Damit wäre den gesetzlichen Anforderungen Genüge getan, da der Verbraucher bereits vor Vertragsschluss in Textform (E-Mail reicht dafür aus) über sein Widerrufs- bzw- Rückgaberecht ausreichend informiert würde.

Folge: Im Gegensatz zu Rechtsgeschäften, die über die Internetplattform eBay abgewickelt werden, wäre es bei Fernabsatzgeschäften über amazon.de Marketplace völlig ausreichend, dem Verbraucher nur eine zweiwöchige Widerrufs- bzw. Rückgabefrist einzuräumen.

IV. Fazit

Amazon.de hätte es in der Hand, einer nun drohenden neuen Abmahnwelle mit wenig Aufwand entgegenzuwirken (s.o.). Die IT-Recht Kanzlei richtet daher im Interesse aller bei Amazon-Marketplace tätigen Onlinehändler den dringenden Appell an amazon.de, sich in dieser Angelegenheit frühzeitig im oben beschriebenen Sinne einzuschalten und hierdurch dem neuen Abmahntreiben der e-tail GmbH unverzüglich den Garaus zu machen.


Rechtsanwalt Max KellerRechtsanwalt Max Lion Keller, LL.M. ist Angestellter der IT-Recht Kanzlei (www.it-recht-kanzlei.de) in München und hat sich auf den gewerblichen Rechtsschutz, Softwarelizenzrecht, IT-Security sowie den E-Commerce spezialisiert. Hauptbetätigungsfeld des RA Keller ist zur Zeit die Erstellung sowie Realisierung rechtssicherer gewerblicher Online-Präsenzen im Internet.

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© 2007 bei Axel Gronen. Letzte Aktualisierung: 26.02.07.
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